Ist die Diabetes-Versorgung in Deutschland in Gefahr?

Schon oft ist darüber geschrieben und noch viel mehr geredet worden, aber passiert ist nichts! Die flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung der Diabetes-Patienten kommt bei der anstehenden Krankenhausreform der Ampel-Regierung unter die Räder und wird der Wirtschaftlichkeit des Krankenhaussystems geopfert! Deshalb ist die rhetorisch gemeinte Frage in der Überschrift meines Beitrags ganz eindeutig mit einem klaren JA zu beantworten.

Aber der Reihe nach:

Ob es in Deutschland 7,6 Mio. Diabetes-Patienten gibt (laut Barmer vom 12.3.2024), ob es 9 Mio. Betroffene sind (laut Deutschem Gesundheitsbericht Diabetes 2024) oder ob wir von 11 Mio. Menschen mit Diabetes sprechen (nach diabetesDE), ist angesichts der Dramatik fast egal – denn die Versorgungsstrukturen werden durch die Krankenhausreform jetzt weiter ausgedünnt und kommen an ihre Grenzen. Dabei sind die Zahlen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), die uns Betroffenen eine ausreichende Versorgung versprechen, doch eigentlich ganz eindrucksvoll:

1100 Diabetes-Schwerpunktpraxen und -Krankenhaus-Ambulanzen,

4300 Diabetologen DDG,

5050 Diabetesberater DDG,

8570 Diabetesassistenten DDG.

Hinzu kommen zahlreiche Diabetes Guides und Diabetes-Lotsen der Selbsthilfeverbände, die zwar wichtig sind, aber nicht zur Versorgung zählen. Fakt ist aber leider auch, dass trotz jährlich steigender Betroffenenzahlen (die Barmer spricht von rund 95 000 zusätzlichen Diabetes-Fällen pro Jahr, diabetes-DE und DDG von bis zu 500 000) die Zahl der Schwerpunktpraxen und der auf Diabetes spezialisierten Klinik-Ambulanzen mangels qualifizierten Personals schon jetzt weniger werden und mit der Ausdünnung der Krankenhaus-Landschaft weiter reduziert zu werden drohen. Davon gehen derzeit alle Experten aus und das sagt uns auch die eigene Erfahrung. Ursache dafür ist unter anderem, dass die neue Krankenhaus-Finanzierung auch künftig keine Vorhaltepauschalen für diabetologische Behandlungen in den Kliniken vorsieht und deshalb im Überlebenskampf der Krankenhäuser die Diabetologie noch stärker unter den Tisch fallen wird. Die DDG hat bereits im Dezember 2023 auf diese Entwicklung hingewiesen und davor gewarnt, dass die Krankenhausreform „Millionen Diabetespatienten in deutschen Krankenhäusern vernachlässigt“.

Noch dramatischer ist die Situation für Kinder mit Typ-1-Diabetes. Wir sehen in der Praxis, dass die Pädiater zunehmend überfordert sind mit der Diabetes-Thematik – sie können zwar alle notwendigen Dinge wie Katheter und Sensoren setzen und Insulin verordnen, aber die kontinuierliche Behandlung bleibt ohne spezialisierte Ausbildung auf der Strecke. In die nächstgelegene Klinik sollten sie aber besser nicht gehen, denn dort ist die Versorgung noch weniger gewährleistet. 

Was kann die Selbsthilfe tun?

Nun stellt sich für uns die Frage: Was tun? Bleiben wir bei Presseerklärungen, Warnungen und Awareness-Kampagnen oder sagen wir es wirklich laut und deutlich: 

So dürft ihr mit fast 10 Prozent der Bevölkerung nicht umgehen! Als Vertreter der Betroffenen müssen wir uns stärker Gehör verschaffen. Wir müssen die Gesundheitspolitiker mit unseren Forderungen konfrontieren. Um die Aufmerksamkeit der Entscheider zu gewinnen, müssen wir vor allem mit einer Stimme sprechen und mit Nachdruck darauf hinweisen, dass wir Millionen Betroffene vertreten. Es kann doch nicht sein, dass eine Handvoll Lokführer, Flugbegleiter und Bauern das Land lahmlegen und wir mit Millionen Betroffenen uns kein Gehör verschaffen!

Unsere Forderungen

  • Die Reform

    Die Krankenhausreform muss gestoppt und neu aufgesetzt werden.

  • Gesetzes-Entwurf Ergänzung

    Der Gesetzes-Entwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) muss um die Versorgung von chronisch Kranken und multimorbiden Patienten ergänzt werden.

  • Leistungsgruppen & Vorhaltepauschalen

    In die Leistungsgruppen und Vorhaltepauschalen für Krankenhausleistungen müssen diabetologische Leistungen aufgenommen werden.

  • Diabetesexpertisen

    In jedem Krankenhaus muss es künftig eine dem Versorgungslevel angepasste Diabetesexpertise geben.

  • Qualitätskriterien

    Qualitätskriterien für die Behandlung von Kindern mit Diabetes müssen fixiert und in der pädiatrischen Ausbildung umgesetzt werden.